Beschluss schafft auch fairere Wettbewerbsbedingungen für Landwirte

Vor 90 Jahren erfand Alexander Fleming das Penicillin. Er ermöglichte damit eine Revolution in der Medizin und rettete Millionen von Menschen das Leben. Aber jetzt verlieren Antibiotika ihre Wirkung. 25.000 Menschen in der Europäischen Union sterben jährlich, weil die Keime gegen Antibiotika resistent werden. Kürzlich wurden sogar in Badeseen antibiotikaresistente Keime entdeckt. Zwar ist dies für gesunde Menschen kein Problem, aber geschwächte Personen könnten Schaden erleiden und bei offenen Wunden muss man vorsichtig sein. Auf jeden Fall zeigt dieses Beispiel, dass dringend gehandelt werden muss.

Dr. med. Peter Liese fordert eine verbesserte Hygiene im Krankenhaus und einen sorgfältigeren Umgang mit der Verschreibung von Antibiotika, auch in der Humanmedizin. Dies ist in erster Linie eine nationale Aufgabe. Die EU jedoch wird hier unterstützend tätig. Sie hilft zum Beispiel bei der Erforschung von Schnelltests, die in der Praxis eine Auskunft darüber ermöglichen, ob eine Infektion überhaupt von einem Bakterium verursacht wird, oder ob man, weil es sich um einen Virus handelt, auf Antibiotika verzichten kann.


Aber auch in der Landwirtschaft muss nach Ansicht Lieses dringend gehandelt werden. “Häufiger Einsatz von Antibiotika bei Nutztieren fördert die Entstehung von resistenten Keimen. Diese Keime können dann zum Beispiel von Landwirten oder Tierärzten ins Krankenhaus getragen werden und dort zu Problemen führen“, so Liese. Hier setzt das Europäische Parlament an und macht Ernst im Kampf gegen Antibiotika-Resistenzen. Vor kurzem hat der Ausschuss für Umwelt, Gesundheit und Lebensmittelsicherheit des Europäischen Parlaments beschlossen, strenge Maßnahmen zur Vermeidung von Antibiotika-Resistenzen in ganz Europa einzuführen. So dürfen beispielsweise sogenannte Reserveantibiotika (das sind solche Antibiotika, die beim Menschen als letztes Mittel eingesetzt werden, wenn sonst nichts mehr hilft) bei Tieren generell nicht mehr eingesetzt werden. Außerdem muss der Einsatz von Antibiotika in der Nutztierhaltung europaweit streng überwacht werden mit dem Ziel ihn deutlich zurück zu fahren. Entsprechende Regeln gibt es in Deutschland schon seit 2013 und diese haben sich alles in allem bewährt. „Aber ich habe noch kein Bakterium getroffen, dass an der Grenze den Pass vorzeigt. Deswegen brauchen wir europäische Regeln. Dies ist auch wichtig, um faire Wettbewerbsbedingungen für die Landwirte zu schaffen. Einseitige nationale Maßnahmen benachteiligen die deutsche Landwirtschaft und lösen das Problem nicht wirklich“, so Liese.

Aus dem gleichen Grund hat das Europäische Parlament in den Verhandlungen auch sehr darauf gedrungen, dass für Importe aus Drittstaaten ebenfalls strenge Regeln gelten. „Gegen massiven Wiederstand aus den Mitgliedstaaten und der Europäischen Kommission konnten wir diesen Punkt dursetzen“, betonte Liese bei einem Gespräch mit dem Vizepräsident des Westfälischen Landwirtschaftsverbandes, Henner Braach aus Netphen und dem Geseker Tierarzt Herbert Nagel in Menden.

„Tierhalter sind sich ihrer Verantwortung beim Umgang mit Antibiotika nach Verschreibung und Anwendungsunterweisung durch die betreuenden Tierärzte sehr wohl bewusst. So konnte die Menge der abgegebenen Antibiotika von 2011 bis 2017 um insgesamt 57% gesenkt werden. Weiterhin ist anzustreben, die Mengen bei den „kritischen“ und bei den „Reserveantibiotika“ zu senken. „Allerdings bleibt immer zu berücksichtigen, dass der Einsatz von Tierarzneimitteln dazu dient, kranke Tiere zu behandeln und damit auch die Tiergesundheit und den Tierschutz zu fördern. Der Einsatz ist gleichermaßen auf den Schutz des Verbrauchers ausgerichtet (BLV). Das neue EU-Tierarzneimittelrecht ist ein zukunftweisender, richtiger Schritt bei der Minimierung von Antibiotikaresistenzen sowohl in der Tier- als auch in der Humanmedizin“, erläuterte Herbert Nagel.

„Das Tierwohl muss im Vordergrund stehen und dies können wir nur gemeinsam erreichen, wenn jeder seinen Anteil dazu beiträgt. Wir Landwirte sind bereit, unseren Teil zu leisten“, schloss sich Henner Braach an.

Die Abstimmung über den Beschluss des Ausschusses im Europäischen Parlament findet voraussichtlich im Oktober statt. Die Annahme im Ministerrat gilt als Formsache, weil das Ergebnis zuvor mit den Vertretern der Mitgliedstaaten ausgehandelt wurde.