Doppelarbeit vermeiden / Kompetenzen der Mitgliedstaaten bei Erstattung und Finanzierung streng respektieren


Das Europäische Parlament hat heute einen Vorschlag der Europäischen Kommission für eine gemeinsame Nutzenbewertung von Arzneimitteln und Medizinprodukten (Health Technologie Assesment - HTA) angenommen, jedoch wichtige Klarstellungen zu den Rechten der Mitgliedstaaten vorgenommen. Der Vorschlag sieht vor, dass Experten aus den Mitgliedstaaten gemeinsam bewerten sollen, ob und welchen Zusatznutzen ein Medikament im Vergleich zur Standardtherapie hat. Diese Bewertung dient dann als Grundlage für die Erstattung, die von den Mitgliedstaaten vorgenommen wird. Schon heute werden viele Arzneimittel, insbesondere alle Krebsmedikamente zentral bei der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) zugelassen. Im Anschluss daran müssen die Hersteller allerdings getrennt in allen Mitgliedstaaten einzeln nachweisen, ob das Medikament auch tatsächlich besser wirkt als eine bisher schon finanzierte Vergleichstherapie. „Dies ist aus meiner Sicht unnötige Doppelarbeit. Es kann aus wissenschaftlicher Sicht nicht sein, dass ein Medikament in Deutschland das Leben im Schnitt um acht Monate verlängert, aber in Frankreich nur um einen Monat. Ich freue ich daher über die breite Unterstützung.  Dies ist im Interesse der Patienten, der Mitgliedstaaten und der Hersteller. Die Mitarbeiter, die diese unnötige Doppelarbeit leisten, können nämlich viel besser in der Forschung und Entwicklung eingesetzt werden“, so Dr. med. Peter Liese, gesundheitspolitischer Sprecher der größten Fraktion im Europäischen Parlament (EVP-Christdemokraten).

Der Arzt und Europaabgeordnete erläuterte, dass die Abgeordneten im Vergleich zum Kommissionsvorschlag eine strenge Abgrenzung zwischen Kompetenzen der Union und der Mitgliedstaaten beschlossen haben. So sollen beispielsweise ergänzende Studien auf Ebene der Mitgliedstaaten möglich sein, etwa wenn der entsprechende medizinische Standard in dem jeweiligen Land durch die Prüfung der Vergleichstherapie auf europäischer Eben nicht ausreichend abgedeckt wurde. Außerdem wurde klar formuliert, dass die letztendliche Frage der Kostenerstattung Sache der Mitgliedstaaten bleibt. „Wir müssen streng darauf achten, dass die Kompetenzen der Mitgliedstaaten beachtet werden. Für die Frage, ob ein Medikament erstattet wird, ist nicht Europa, sondern das nationale Gesundheitswesen zuständig“, so Liese.

Liese zeigte sich auch erfreut darüber, dass das Europäische Parlament heute das üblich Abstimmungsverfahren mit qualifizierter Mehrheit für das Entscheidungsgremien beschlossen hat. Die Kommission hatte ursprünglich vorgeschlagen, dass die Gruppe (je eine Person pro Mitgliedstaat), die über die wissenschaftliche Arbeit entscheidet, im Idealfall einstimmig beschließt. Sie hat jedoch offengelassen, was passiert, wenn keine Einstimmigkeit zustande kommt. „Wir haben für diesen Fall die qualifizierte Mehrheit beschlossen, sodass das übliche Abstimmungsverfahren auf EU-Ebene Anwendung findet. Dies ist nicht nur demokratietheoretisch sinnvoll, sondern auch praktisch, da es die großen Mitgliedstaaten sind, die über ausreichende Erfahrung in der Nutzenbewertung verfügen und die durch die doppelte Mehrheit, in der auch die Bevölkerungsgröße angerechnet wird, im Vorteil sind“, so Liese. abschließend.
Die qualifizierte Mehrheit im Rat sieht vor, dass 55 % der Mitgliedstaaten für einen Vorschlag stimmen müssen – in der Praxis bedeutet das 16 von 28; und diese zusammen mindestens 65 % der Bevölkerung der Union ausmachen. Das heutige Votum dient als Grundlage für die Verhandlungen mit den Mitgliedstaaten.