Zulassung von Johnson & Johnson Impfstoff am Donnerstag erwartet / Prinzipiell eine gute Nachricht aber J&J wird leider verspätet liefern / Druck auf USA, Großbritannien und Firmen erhöhen / Exportverbot für AstraZeneca in Italien kann nur der erste Schritt gewesen sein

„Selbstverständlich muss sich die Europäische Kommission Kritik gefallen lassen und in der Rückschau hätte man bei der Bestellung von Impfstoffen einiges anders machen müssen. Aber die in Deutschland und Österreich am lautesten geäußerte Kritik, dass die EU zu wenig und zu spät Impfstoff bestellt habe, ist nicht Kern des Problems“, so der gesundheitspolitische Sprecher der größten Fraktion im Europäischen Parlament, Dr. med. Peter Liese.

Liese sieht den Kern des Problems im Exportverbot in den USA und einer UK-first Politik bezüglich des AstraZeneca Impfstoffes in Großbritannien. Dies werde besonders deutlich, wenn man sich den Impfstoff von BioNTech/Pfizer ansehe. „Das amerikanische Werk produziert den Impfstoff ausschließlich für die USA. Die Biontech Werke in Mainz und Idar-Oberstein und das Pfizerwerk in Puurs in Belgien, in dem der Impfstoff weiterverarbeitet und endabgefüllt wird, produzieren für die ganze Welt, inklusive Kanada und Mexiko. Kanada liegt aus diesem Grund bei der Impfgeschwindigkeit hinter der Europäischen Union, obwohl sie früher und in größeren Mengen Impfstoffe als die EU bestellt haben.

Donald Trump hat am 8. Dezember quasi ein Exportverbot erlassen und leider hat Joe Biden dieses nicht nur nicht aufgehoben, sondern sogar bis Juni verlängert. Hier verhält sich der neue US-Präsident wie der alte und das muss stärker thematisiert werden. Bezüglich des Vereinigten Königreichs ist es so, dass nennenswerte Mengen des AstraZeneca Impfstoffes mindestens bis zur dritten Januar Woche von Europa, zum Beispiel dem IDT Biologica Werk in Dessau, nach Großbritannien exportiert wurden. Trotzdem weigert sich die Firma im Gegenzug, ihren in Großbritannien produzierten Impfstoff, auf den Kontinent zu liefern. Wenn Europa die Welt beliefert, während alle anderen aber nur an sich selbst denken, dann kann die Sache nicht aufgehen. Deswegen kann das Exportverbot, das Italien beim AstraZeneca Impfstoff in der letzten Woche erlassen hat, nur der erste Schritt sein. Es ist bedauerlich, dass die europäischen Institutionen Italien nicht energischer unterstützt haben“, so Liese. 

Der Arzt und Europaabgeordnete erwartet, dass am Donnerstag die Europäische Arzneimittelagentur die Zulassung des Impfstoffs von Johnson & Johnson empfehlen und dass die EU Kommission die Zulassung noch am selben Tag erteilen werde. „Dies ist im Prinzip eine gute Nachricht, da Johnson & Johnson einen guten Impfstoff produziert hat. Er ist meiner Meinung nach sicher und nebenwirkungsarm und der große Vorteil ist, dass schon nach einer Impfung ein ausreichender Schutz vorhanden ist. Die Kritik an der Europäischen Arzneimittelagentur, dass der Prozess zu lange dauert, geht insbesondere in diesem Punkt am Kern des Problems vorbei. Es ist gut, dass die EMA den Impfstoff sorgfältig prüft. Leider hat Johnson & Johnson bisher nicht mitgeteilt, dass sie sich ein Beispiel an den anderen Unternehmen wie Pfizer/BioNTech nehmen, die unmittelbar nach der Zulassung auch geliefert haben. Es gibt sogar Zweifel, dass die zugesagte Liefermenge von 55 Millionen Dosen bis Ende Juni eingehalten werden kann.

Dies ist eine große Enttäuschung und ich glaube, die europäischen Institutionen müssen deutlich mehr Druck auf die Unternehmen sowie die USA und Großbritannien ausüben. Ich glaube, man sollte auch ein totales Exportverbot für Impfstoffe nicht ausschließen. Nach den WTO Regeln (Artikel XXI GATT) ist dies möglich. Zwar erfüllt BioNTech/Pfizer, deren Impfstoff im großen Stil exportiert wird, seine Lieferverpflichtungen an die EU, dennoch sollte diese Option ernsthaft erwogen werden. Die wichtigste, berechtige Kritik an der EU Kommission ist, dass der Exportkontrollmechanismus zu spät in Kraft gesetzt wurde“, so der Arzt und Europaabgeordnete.

Liese weiter: „Mittelfristig müssen wir sehr viel stärker darauf achten, dass die Produktion weltweit ausgebaut wird. Dazu bedarf es einer umfassenden Technologiepartnerschaft zwischen den Ländern, in denen mRNA-Impfstoffe entwickelt wurden, also vor allem der EU und den USA, mit Drittstaaten, die über Knowhow in der Herstellung von Impfstoffen verfügen, z.B. Südafrika und Indien. Eine bloße Abschaffung der Patente oder Zwangspatente führen aber nicht zum Ziel. Gerade die mRNA-Technologie ist sehr kompliziert und es geht nur mit einer umfassenden Partnerschaft. Dafür müssen Europa und die USA auch Geld in die Hand nehmen. Langfristig muss Impfstoff für die gesamte Welt zur Verfügung gestellt werden. Die Covax-Initiative reicht dafür nicht aus, da bis Ende des Jahres diesem Instrument nur 20 Prozent der Menschen weltweit geimpft werden können. Wir sind wirklich nicht sicher, bevor nicht alle sicher sind. Denn wenn in Entwicklungsländern das Virus nicht unter Kontrolle ist, werden immer wieder gefährliche Mutationen entstehen. Kurzfristig muss aber eine schnellere und umfassende Impfung der Bürgerinnen und Bürger in der EU im Vordergrund stehen“, so Liese.