Heutige EMA Entscheidung unbefriedigend, da noch kein klarer Zusammenhang mit Risikofaktoren oder Alter / Erhöhte Wachsamkeit bei Ärzten und Patienten erforderlich / Dort, wo es möglich ist, jüngeren Menschen anderen Impfstoff anbieten


„Ich halte den Impfstoff von AstraZeneca nach wie vor für einen guten Impfstoff. Die Krankheit Covid-19 ist auch für jüngere Menschen sehr gefährlich und das Risiko an Covid-19 zu erkranken und zu sterben, ist in jedem Fall größer als das Risiko von Nebenwirkungen für die betroffene Bevölkerung. Aber die Sinusvenenthrombosen, die zwar selten auftreten, aber nach Impfung mit AstraZeneca eindeutig häufiger als in der Durchschnittsbevölkerung, sind ernst zu nehmen. Dies gilt besonders für junge Menschen. Sie können zwar behandelt werden, sind aber lebensbedrohlich. Es ist gut, dass die EMA den Zusammenhang zwischen den seltenen Hirnvenenthrombosen und der Impfung jetzt endlich anerkannt hat. Aus der Sicht vieler Experten und auch aus meiner persönlichen Sicht war das überfällig. Die Nebenwirkungen sind zwar selten, aber dass die Häufung ein Zufall ist, ist einfach sehr unwahrscheinlich. Die deutschen Experten haben hier schneller und konsequenter gehandelt. Die heutige Entscheidung der EMA ist aus meiner Sicht unbefriedigend, da immer noch kein klarer Zusammenhang mit bestimmten Risikofaktoren oder dem Alter festgestellt wird. Aufgrund der vorliegenden Informationen halte ich aber die Praxis in Deutschland und einigen anderen Mitgliedstaaten, nämlich insbesondere jungen Frauen oder den Jüngeren insgesamt, einen anderen Impfstoff anzubieten, für richtig. Erstens sind die Fälle hier gehäuft und zweitens ist das Risiko, an Covid-19 zu versterben in dieser Altersgruppe geringer als bei den über 60-jährigen. Bei aller Kritik an der Impfstoffversorgung in Deutschland und Europa können wir uns glücklich schätzen, dass wir Alternativen haben.


Auch wenn es schwierig zu verstehen ist, sollten wir uns immer wieder klarmachen, dass die jetzt aufgetretenen Nebenwirkungen nichts mit der anfänglichen Empfehlung zu tun haben, den AstraZeneca-Impfstoff nicht für über 65-Jährige zu verwenden. Bei der Frage der Älteren ging es nicht um die Frage von Nebenwirkungen, sondern um die Frage, ob ausreichende Daten zur Schutzwirkung vorliegen und gerade bei Älteren ist eine ausreichende Schutzwirkung ja extrem wichtig. Diese Daten liegen nun seit Wochen vor und deswegen ist es richtig, den AstraZeneca-Impfstoff für über 65-Jährige zu verwenden. Wir müssen weiterhin sehr wachsam sein und jeder, der nach einer Impfung egal mit welchem Impfstoff nach vier bis fünf Tagen immer noch oder erstmals starke Kopfschmerzen hat, sollte sich umgehend seinen Arzt konsultieren.

Ich empfehle auch, dass jedem die Möglichkeit gegeben wird, vor einer Impfung einen Antikörpertest durchzuführen. Menschen die Antikörper haben, sind in etwa so geschützt wie Geimpfte und können auch vom europäischen Grünen Zertifikat profitieren. Außerdem ist es nicht auszuschließen, dass Menschen, die die Erkrankung durchgemacht haben, vermehrt Nebenwirkungen haben. Daher gibt es zwei Gründe, soweit möglich einen Antikörpertest anzubieten und positiv auf Antikörper getestete Personen dann zunächst nicht zu impfen, im Herbst aber mit einem angepassten Impfstoff, der auch vor den mutierten Viren besser schützt, zu impfen.“