Die Versorgung von Patientinnen und Patienten mit Medizinprodukten ist in größter Gefahr, weil immer weniger Medizinprodukte verfügbar sind. Insbesondere Nischenprodukte, die dringend in den Kliniken und Praxen benötigt werden, drohen vom Markt zu verschwinden. Unionsabgeordnete des Europäischen Parlaments fordern die Kommission seit Monaten auf, eine Änderung der Medizinprodukteverordnung herbeizuführen. Die Kommission hat nun Unterstützung signalisiert.


„Nach Gesprächen mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides gehe ich fest davon aus, dass die Kommission noch in diesem Jahr einen Gesetzgebungsvorschlag macht, um lebenswichtige Medizinprodukte am Markt zu halten. Ich werde mich nach Kräften dafür einsetzen, dass ein Vorschlag, der wirklich Abhilfe schafft, so schnell wie möglich im Europäischen Parlament angenommen wird“, erklärte der der gesundheitspolitische Sprecher der größten Fraktion im Europäischen Parlament (EVP-Christdemokraten), Dr. med. Peter Liese.


Prof. Dr. Angelika Niebler (CSU), oberbayerische CSU-Europaabgeordnete und Initiatorin des Brandbriefes zur Medizinprodukteverordnung an die Europäische Kommission warnt: „Ärztinnen und Ärzte sowie Krankenhäuser schlagen berechtigterweise seit Monaten Alarm, weil wichtige Medizinprodukte fehlen und Patientinnen und Patienten nicht versorgt werden können. Bereits jetzt sind beispielsweise Ballonkatheter für Kinderherzen kaum noch verfügbar und Kinder mit angeborenem Herzfehler sind in Gefahr. Die Situation droht, sich weiter zu verschlechtern, wenn die Kommission nicht endlich einen Vorschlag für eine Änderung der Medizinprodukteverordnung vorlegt, zum Beispiel, dass bereits erteilte Zertifikate so lange gültig bleiben, bis die Prüfung eines neuen Antrags abgeschlossen ist. Die Medizinprodukteverordnung war gut gemeint, ist aber nicht gut gemacht.“

Im Jahr 2017 trat die Revision der Medizinprodukteverordnung in Kraft. Die Medizinprodukteverordnung sieht vor, dass auch Produkte, die seit vielen Jahren im Markt sind, erneut zertifiziert werden müssen. In der Folge entscheiden sich Unternehmen, Medizinprodukte vom Markt zu nehmen, weil der bürokratische und finanzielle Aufwand einer Zertifizierung einfach zu hoch ist. Laut Medizinprodukteverordnung müssen bis spätestens Mai 2024 alle Medizinprodukte rezertifiziert werden, damit sie in der EU weiterhin eingesetzt werden können. Bisher konnten in Deutschland nur wenige der Medizinprodukte in die neue Medizinprodukteverordnung überführt werden.

Als Notfalllösung könnten Sonderzulassungen für Nischenprodukte nach Artikel 59 der Verordnung bereits jetzt auf nationaler Ebene erteilt werden. „Der Gesundheitsminister muss dringend tätig werden, wenn er verhindern will, dass die kleinen- und mittelständischen Unternehmen sowie die bereits zugelassenen Medizinprodukte vom Markt verschwinden. Die politische Untätigkeit des Gesundheitsministers führt zu lebensbedrohlichen Konsequenzen für Patientinnen und Patienten und einer allgemeinen Verschlechterung der Patientenversorgung“ so, der westmecklenburgische CDU-Bundestagsabgeordnete Dietrich Monstadt.

„Schon bei der Verabschiedung haben wir Probleme gesehen“, erklärten Liese und Monstadt, die an der Ausarbeitung mitgewirkt hatten. „Leider gab es im Europäischen Parlament in vielen Fragen eine Mehrheit gegen die Christdemokraten und im Ministerrat oft eine Mehrheit gegen Deutschland. Darüber hinaus haben die Corona-Pandemie und der Brexit für eine Verschärfung der Probleme gesorgt. Unabhängig davon wo die Ursache liegt, muss jetzt aber schnell gehandelt werden, um das Problem zu beseitigen - dafür sind Anstrengungen auf allen Ebenen notwendig. Wir fühlen uns durch die Reaktionen von Ursula von der Leyen und Stella Kyriakides sehr ermutigt und bedauern, dass der Bundesgesundheitsminister sich für diese Frage offensichtlich noch nicht die nötige Zeit genommen hat“, so Liese und Monstadt.