Nicht nur auf den Preis, sondern vor allen Dingen auf die Zuverlässigkeit der Lieferkette achten


Abgeordneter legt in einem ungewöhnlichen Schritt eigenen Gesetzentwurf für Medizinprodukte vor


Die Europäischen Institutionen arbeiten hartnäckig an dem Problem des Arzneimittelmangels. Wie Dr. Peter Liese mitteilte, treffen sich am kommenden Donnerstag in Brüssel Experten der Kommission mit den Behörden der Mitgliedstaaten, in Deutschland zum Beispiel den Vertretern der Krankenkassen, die für die Ausschreibung bei Arzneimitteln zuständig sind. „Dass Menschen in der Apotheke immer wieder hören müssen ' Medikament nicht lieferbar' ist ein Skandal für ein reiches Land wie Deutschland und einen reichen Kontinent wie Europa. Es muss hier dringend etwas geschehen. Europa hat das Problem nicht verursacht; es waren die nationalen Verantwortlichen, die bei Generika, die 80% der Arzneimittelversorgung ausmachen, nur auf den Preis geachtet haben, weshalb die Produktion fast vollständig nach China und Indien abgewandert ist. Europa kann aber Teil der Lösung sein, weil nur dann, wenn wir gemeinsam die richtigen Signale setzen, die Industrie wieder in Europa produzieren wird. Deswegen habe ich die Europäische Kommission seit Jahren motiviert, hier aktiv zu werden. Sie arbeiten an Leitlinien für Ausschreibungen, dabei darf nicht nur der Preis berücksichtigt werden darf, sondern es muss auch um Umweltauflagen, Zuverlässigkeit der Lieferkette und Produktion in Europa gehen. Ich appelliere an alle Kostenträger, hier konstruktiv mitzuarbeiten, damit die Leitlinien schnell veröffentlicht werden können“, so der Arzt und Europaabgeordnete Liese.


Bei einem zweiten Problem, der Medizinprodukteverordnung hat der Abgeordnete jetzt zu einem ungewöhnlichen Schritt gegriffen. Medizinprodukte sind Produkte, bei denen die Wirkung nicht auf der pharmakologischen/chemischen Eigenschaft, sondern auf der mechanischen Eigenschaft beruht. Es geht also zum Beispiel um Implantate oder Herzkatheter. Hier wurde vor Jahren das europäische Recht verschärft, weil es zu vielen Skandalen gekommen war. „Aber die Europäischen Institutionen haben über das Ziel hinausgeschossen. Neben den sinnvollen Verschärfungen gibt es auch unnötige und lästige Bürokratie. Dadurch kommt es zu echten Versorgungsproblemen, zum Beispiel bei Herzkathetern für Kinder“, so Liese.

„Die Regeln sind grob zusammengefasst zu kompliziert, zu bürokratisch und zu teuer und lassen sich aufgrund fehlender Benannter Stellen gar nicht umsetzen. Deshalb sehen wir weiterhin, dass Produkte aus der Verfügbarkeit genommen werden, was uns in der Klinik täglich vor große Herausforderungen stellt. Dies ist besonders kritisch in der Versorgung von seltenen Erkrankungen, wo wir dringend effiziente und zügige Lösungen benötigen“, erklärte, Prof. Dr. Stephan Schubert, Chefarzt der Kinderkardiologie am Herz- und Diabeteszentrum NRW in Bad Oeynhausen.

Das Europäische Parlament hat sich im Dezember für eine erneute Gesetzesänderung ausgesprochen; die Kommission hatte in der letzten Plenarsitzung im April erklärt, dass sie dieses Vorhaben angehen wird. In einem außergewöhnlichen Schritt hat Liese sich jetzt entschlossen, einen konkreten Gesetzgebungsvorschlag auf den Tisch zu legen. In einem Brief an Ursula von der Leyen, Vizepräsident Margaritis Schinas, Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides und die Generaldirektorin Sandra Gallina beschreibt er die Dringlichkeit des Themas und legt einen Vorschlag vor, den er mit Hilfe des Fachjuristen Erik Vollebregt, Experte für EU-Medizinprodukterecht und Datenschutz, erarbeitet hat. „Auch wenn wir formal als Parlament kein Initiativrecht haben, so möchte ich mit diesem Schritt den Prozess zur Änderung der Medizinprodukteverordnung beschleunigen. Es wird schon zu lange nur geredet, wir brauchen jetzt Taten, um Menschenleben zu retten“, bekräftigte Liese.